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Read Ebook: Prinzessin Sidonie (Band 2/3) by Bacher Julius

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Ebook has 1169 lines and 52934 words, and 24 pages

Release date: November 13, 2023

Original publication: Leipzig: Verlag von Friedrich Fleischer, 1870

Anmerkungen zur Transkription:

Das Original ist in Fraktur gesetzt.

Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden ?bernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert. Eine Liste der vorgenommenen ?nderungen findet sich am Ende des Textes. Folgende Zeichen sind f?r die verschiedene Schriftformen benutzt worden:

~ Prinzessin Sidonie.

Roman

von

Julius Bacher.

Zweiter Band.

Illustration

Leipzig, Verlag von Friedrich Fleischer. 1870.

Erstes Kapitel.

Etwa zwei Monate waren ?ber die n?her bezeichneten Vorg?nge dahin gegangen. Den lichten, milden Herbsttagen waren die tr?ben und rauhen Verk?nder des nahenden Winters gefolgt. Nachtfr?ste und die nie fehlenden Winde hatten B?ume und Gestr?uche allgemach entbl?ttert und die Menschen in die behaglichen Wohnungen gedr?ngt, von wo aus sie dem Walten in dem Naturleben gesicherter zuschauten und sich nun an den h?uslichen Vergn?gungen erg?tzten.

Dies war namentlich in den Hofkreisen der Fall, woselbst man eifrig bedacht war, sich Amusements aller Art zu bereiten und in solcher Weise den unbequemen Winter angenehm zu vert?ndeln.

Es war die eilfte Vormittagsstunde und wir sehen den F?rsten in einem nichts weniger als prunkvollen, sondern vielmehr ziemlich einfach ausgestatteten Gemach mit der Durchsicht einiger vor ihm liegenden Papiere besch?ftigt.

In dem Kamin brannte ein helles Feuer, obwol die Luft nur frisch, jedoch nicht frostkalt war. Ebenso war der F?rst sehr warm gekleidet, namentlich waren die F?sse durch w?rmende H?llen und Decken gesch?tzt. Die rauhe Jahreszeit hatte sein altes Leiden, die Gicht, mit vermehrter Heftigkeit herbei gef?hrt und qu?lte ihn nun schon seit mehren Wochen, indem es ihn zugleich am Arbeiten und dem Genuss der frischen Luft hinderte und ihm ?berdies alle Lust an seinen gew?hnlichen Zerstreuungen raubte. Die Stimmung des F?rsten war daher auch keine gute, trotz der Bem?hungen seiner vertrauten Freunde.

W?hrend seiner Besch?ftigung wurde ihm der Kammerherr, Chevalier Boisi?re gemeldet, und der F?rst befahl, denselben sogleich eintreten zu lassen. Der Chevalier besass das besondere Vertrauen des F?rsten und wurde von diesem zu mancherlei delicaten Diensten verwendet, wozu der Franzose ganz ausgezeichnete Talente besass.

Am Hofe in Paris alt geworden, in alle Intriguen desselben eingeweiht und mit den reichen Erfahrungen eines genussvollen Lebens ausgestattet, eignete er sich vortrefflich zu dem vertrauten Diener eines F?rsten, an dessen Hof es nicht besser zuging, als an dem franz?sischen.

Durch Gen?sse ersch?pft, war der einst sehr sch?ne Chevalier nur noch ein Schatten von seiner ehemaligen Herrlichkeit. Er war sechzig und einige Jahre alt, sein Antlitz mit feinen Runzeln durchfurcht, der Mund wegen der Zahnlosigkeit eingefallen. Obgleich d?rr und hinf?llig, gl?nzte doch sein dunkles Auge lebensvoll und verrieth die Frische des Geistes, die ihm trotz seiner k?rperlichen Schw?che geblieben war. Er besass eine feine Bildung, Geist und Witz, die er in einer angenehmen Weise geltend zu machen wusste, und war ?berdies in Haltung und Benehmen ein vollendeter Hofmann. Kleidung und Toilette waren stets sauber und geschmackvoll, ja der Chevalier verschm?hte sogar Schminke und Sch?npfl?sterchen nicht, um seinen graubraunen Teint zu verbessern und demselben einen jugendlichen Anstrich zu verleihen. Diese Sorgfalt war denn auch der Grund, dass er um zehn Jahre j?nger erschien, als er es in der That war. Seiner geistigen Vorz?ge, namentlich jedoch seiner Geschicklichkeit in Ausf?hrung der angegebenen Dienste wegen sch?tzte ihn der F?rst ganz besonders und hatte ihn auch heute in seinem pers?nlichen Interesse zu sich rufen lassen.

>>Nun, Chevalier, bringen Sie Neuigkeiten?<< fragte der F?rst, den Eintretenden mit einem vertraulichen Kopfnicken begr?ssend.

>>Nichts von Bedeutung, mein gn?digster F?rst. Der Winter eignet sich eben so wenig zum Krieg wie zum Hervorbringen von anderen interessanten Vorg?ngen. Die Elemente wirken tiefer auf den Menschen, als er eingestehen will, und die K?lte und todte Natur schl?fern die Leidenschaften ein; Winter und Alter verlangen nach Ruhe oder werden vielmehr durch die ersteren dazu gen?thigt.<<

>>Sollte das bei meinem gn?digsten F?rsten etwa der Fall sein?<<

>>Ja, Chevalier, und ich darf Ihnen meine Sorgen wol nicht n?her bezeichnen, Sie kennen dieselben.<<

>>Diese beziehen sich also auf den Prinzen?<<

>>Nat?rlich; denn trotz aller meiner Bem?hungen und alles Abwartens w?hrt die unselige Trennung zwischen ihm und der Prinzessin fort. Ich sehe das Ende dieses Haders nicht und so mehrt sich die Sorge um die Thronfolge. Ich bin alt und krank genug, um an das Sterben zu denken. Der Tod kann mich ?berraschen, ehe die Erbfolge gesichert ist; da gebe es dann bei des Prinzen Charakter dereinst viel Unruhe und Gefahr, und diese m?chte ich dem Staat gern ersparen.<<

>>In der That, ein ?bler Umstand,<< bemerkte der Chevalier gedankenvoll.

>>Ich bin ?berzeugt, die Prinzessin tr?gt keinen kleinen Theil der Schuld, dass keine Auss?hnung zu Stande kommt. Zwar war des Prinzen Treiben bisher allerdings nicht zu loben; er hat jedoch meinen Vorstellungen Geh?r gegeben, wie ich zu meiner Freude bemerkt habe. Seit mehren Monaten verkehrt er fast gar nicht mehr mit der Residenz; die Debauchen haben aufgeh?rt, und er lebt seit dieser Zeit ziemlich eingezogen und befleissigt sich der Staatsgesch?fte, ohne, so viel ich weiss, eine Liaison zu haben. Er hat sich also sehr zum Vortheil ge?ndert, und dieser Umstand liess mich mit Bestimmtheit die Herstellung eines guten Einvernehmens mit der Prinzessin hoffen; statt dessen h?re ich, dass sie sich noch eben so fern als fr?her, ja man meint sogar, noch ferner stehen.<<

>>Nach den Mittheilungen der Baronin M?hlfels -- die, wie mein gn?diger F?rst weiss, meine vertraute Freundin ist -- muss ich diesen Umstand durchaus best?tigen.<<

>>Nun, da sehen Sie, Chevalier, wie die Sache steht, und werden erkennen, dass ich gen?thigt bin, auf Mittel zu denken, diesem Uebel auf irgend eine Weise sicher zu begegnen!<< rief der F?rst, durch das Vernommene sichtlich verstimmt.

Der Chevalier schaute bedenklich vor sich hin und der F?rst fuhr fort:

>>An eine Trennung der Ehe mag ich nicht denken; ich scheue einen solchen Eclat, wobei der Prinz und ich selbst, da ich diese Ehe gestiftet habe, nicht eben gut fortkommen w?rden. Freilich ist an diesem Zerw?rfniss mehr der Prinz als die Prinzessin schuld; denn es h?tte Alles gut sein k?nnen, w?rde er die Prinzessin besser behandelt oder ihr die schuldigen R?cksichten geschenkt haben. Denn sie war anfangs ein stilles, geduldiges Wesen, bis es der Prinz zu toll machte, und nun ist sie uns ?ber den Kopf gewachsen. Sie hat in der letzten Zeit eine Festigkeit und Selbstst?ndigkeit bewiesen, die ich bei dieser zarten Frau nie erwartet h?tte. So ist an eine Erf?llung meines Wunsches nicht zu denken, und das macht mich sehr besorgt und l?sst mich auf Mittel denken, diesem Uebelstande in einer geeigneten Weise abzuhelfen. Was meinen Sie dazu?<<

>>Ich unterwerfe mich der Weisheit meines F?rsten,<< entgegnete der Chevalier, das feine Spitzentuch an die Lippen f?hrend.

>>Ja,<< fuhr der F?rst, von dem Interesse des besprochenen Gegenstandes erf?llt, eifrig fort, >>ja, liesse sich der Prinzessin irgend eine bedenkliche Schw?che mit Bestimmtheit nachweisen, so w?rde man einen Anhaltpunkt f?r die Trennung gewinnen; ~so~ jedoch ist darauf nicht zu hoffen. Sie ist zu tugendhaft, oder besser gesagt, sie besitzt keine Leidenschaft.<<

Der Chevalier h?stelte und ein feines, schlaues L?cheln umspielte seinen Mund.

>>Ihre Mienen deuten mir an, dass Sie meine Ansicht ?ber der Prinzessin Charakter nicht theilen,<< bemerkte der F?rst, den Chevalier fest anschauend.

>>O, Pardon, mein F?rst! Wie sollte ich nicht?!<< fiel der Letztere ein, sich anmuthig verneigend, und f?gte mit einem eigenth?mlichen Ton und Blick hinzu: >>Mein hoher Gebieter weiss, dass der Hof Ludwig des F?nfzehnten mich erzog und ich an demselben meine Erfahrungen ?ber weibliche Tugend gesammelt habe; ein Bedenken ?ber Ihre Besorgniss, mein F?rst, d?rfte mir daher wohl gestattet sein. Ich meine, wir Menschen besitzen im Allgemeinen keinen Ueberfluss an moralischen Vorz?gen, und aus dem einfachen Grunde, weil diese Vorz?ge nicht beliebt, nicht am?sant und -- auch nicht in der Mode sind. Dieses letztere ist sehr wichtig in Bezug auf die Frauen, namentlich auf diejenigen, welche das Gl?ck geniessen, die Luft des Hofes einzuathmen und aus ihren Elementen sich die Grunds?tze zu ihrem Leben zu bilden. Damit w?re ich denn auch bei dem Tugend-Ueberfluss der Prinzessin angelangt,<< schloss der Chevalier l?chelnd.

>>So nehmen Sie das letztere an, Mangel an Leidenschaft, gew?hnlich die Quelle unverdienter Tugenden!<< fiel der F?rst ein, der durchaus Recht behalten wollte.

Wiederum schaute der Kammerherr schweigend vor sich hin, w?hrend das fr?here bezeichnende L?cheln sich auf's Neue geltend machte.

>>Auch die zweite Voraussetzung scheinen Sie nicht zu billigen,<< bemerkte der F?rst nach kurzer Pause.

>>Ich gestehe, mein F?rst, es ist so. Der Schein tr?gt am meisten bei den Frauen, namentlich wenn sie noch so jung wie die Prinzessin sind. Jede Frau besitzt nach meinen Erfahrungen hinreichende Leidenschaften, um sich durch sie zu Thorheiten verleiten zu lassen; es kommt nur darauf an, dieselben in der geeigneten Weise hervor zu rufen. Vorhanden sind sie alle Zeit, welche Erkenntniss uns nur zu h?ufig ?berrascht. So, meine ich, ist es auch mit der Prinzessin.<<

>>Wenn ich Ihnen auch Recht geben muss, so bin ich dadurch doch in meinen Entschl?ssen um keinen Schritt weiter gekommen. Was helfen alle Betrachtungen, da die Situation ein bestimmtes Handeln fordert,<< fiel der F?rst ein. >>Sie wissen, dass des Prinzen Tochter nach den Staatsgesetzen zur Thronfolge nicht berechtigt ist; bei der gegenseitigen Abneigung ist an keinen Thronerben zu denken; eine Vers?hnung des Paars ist eben so wenig zu erwarten, als eine Trennung der Ehe zul?ssig: was l?sst sich da thun?<< --

Der Chevalier blickte den F?rsten mit einem Ausdruck in seinen Z?gen an, der unschwer den Zweifel an der Rathlosigkeit seines Gebieters erkennen liess; alsdann bemerkte er in vertraulichem Ton:

Der F?rst schaute nachdenkend vor sich hin und bemerkte nach kurzer Pause:

>>Das ginge; doch ich zweifle, dass sich die Prinzessin dazu verstehen d?rfte. Ich glaube, sie besitzt nicht den Muth dazu und hegt zu viele Gewissensscrupel.<<

>>Der Muth wird sich finden, sobald sie weiss, dass der f?rstliche Oheim ihre Neigung nicht nur billigt, sondern dieselbe sogar als ein nothwendiges Mittel zu Staatszwecken betrachtet.<<

>>Sie k?nnen Recht haben.<< --

>>Die Legitimit?t mancher F?rsten ist angezweifelt worden. -- Mein F?rst kennt die Geschichte Ludwig des Vierzehnten.<<

Der F?rst neigte beistimmend das Haupt, indem er lachend bemerkte:

>>Es w?re daher nur noch ein Bedenken zu beseitigen,<< bemerkte der Chevalier.

>>Welches?<< --

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